Losheim im Naturpark Hohes Venn – Grenzerfahrung
Traditionsgemäß fand auch im Jahr 2016 wieder die Vereinsfahrt der aktiven Mitglieder des RRC-Neuwied statt, die uns vom 19. bis 21. August nach Losheim in den Ardennen unmittelbar an die belgische Grenze führte. Wie üblich trafen die insgesamt 14 Teilnehmer im Verlauf des Freitag im Hotel Balters in Losheim ein, was angesichts der grenznahen und damit etwas abseitigen Lage einschließlich diverser Umleitungen unterschiedlich lange dauerte und uns sogar noch am Zielort an der belgischen Grenze eine weitere Straßensperre bescherte.
Man könnte meinen, dass wir uns mit dem höhenexponierten Ausflugsziel in den Ardennen besondere sportliche Herausforderungen gesucht haben aber wir konnten feststellen, dass man auch auf ca. 600 m über NHN noch Wege oder gar Mittel findet, die unterschiedlichen Konditionsstärken zu kompensieren. Die Grenzerfahrungen lagen jedoch weniger im sportlichen Bereich sondern ganz woanders.
Aber hierzu gleich mehr.
Am Abend wurde zunächst in geselliger Runde ein gemeinsames Abendessen nicht nur zur Auffüllung der Kohlenhydratspeicher eingenommen.
Am Samstag morgen ging es dann nach den obligatorischen Vorbereitungen bei frischen 13 Grad los, und zwar auf den unmittelbar am Hotel vorbei führenden Kyllradweg.
Da dieser in diesem Bereich des Losheimer Grabens, der übrigens die Wasserscheide Rhein – Maas definiert, auf der 2007 stillgelegten Vennquerbahn verläuft, hatten wir im Hinblick auf das Höhenprofil unseres Tagesausflugs erst einmal keine Probleme, zumal es bergab Richtung Stadtkyll ging.
So rollten denn alle fröhlich bergab.
Es dauerte jedoch nur kurze Zeit, bis wir die erste Grenze zwischen zwei Bindestrich-Ländern passierten – die zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, und das nicht nur einmal…
Das Fahren auf diesem neu eingerichteten Radweg ohne Beeinträchtigung durch störende motorisierte Zeitgenossen, bescherte uns einen Naturgenuss, dem wir uns mit kontemplativen Dahingleiten, nur begleitet vom Surren der Freiläufe und gelegentlich mehr oder weniger passenden Kommentaren der Rouleure hingaben.
Und hin und wieder musste man tatsächlich über die auf den Radwegen unserer Heimat unbekannten Ausbaustandards ein Wort verlieren – so z.B. bei den vorbildlich angelegten Rastmöglichkeiten mit Abstellanlagen, Wetterschutz in Gestalt eines alten Eisenbahnwaggons, dem superglatten Asphalt und ebensolchen perfekten Brücken.
Vor lauter Schwärmen bemerkten wir dann kaum, dass der Weg hin und wieder auch einmal die alte Bahntrasse verlässt.
Unaufmerksame, die nicht rechtzeitig runter geschaltet hatten, hob es dann aus dem Sattel, wohingegen ältere Hasen und Freunde des kleinen Blattes die kleine Herausforderung müde lächelnd absolvierten.
Bald wieder auf der alten Bahntrasse, rollten wir unserer ersten Pause entgegen.
Weil es jedoch so schön und man durch verschiedene Eindrücke abgelenkt war, fand man sich, die Kommandos des Führenden überhörend, plötzlich in heterogener Aufstellung orientierungslos an einem mehrfach umrundeten Kreisverkehr wieder, um die Fahrtrichtungsprobleme auszudiskutieren. Das darf schließlich bei keinem Vereinsausflug fehlen!
Wo geht’s denn hier lang junges Fräulein?
Merke: nicht immer weiß derjenige der Vorne fährt auch wo’s lang geht!
Ach ja, da sind wir ja!
Sei’s drum, wir fuhren ein paar Meter zurück und stellten fest, dass wir ein eindeutiges Signal überfahren hatten. Wie konnten wir nur an dieser für Radfahrer perfekten Raststelle vorbeifahren?
Das musste geklärt werden und war angesichts übersichtlichen örtlichen Kartenmaterials schnell erledigt, so dass wir uns unmittelbar mit dem Auftanken von Energie widmen konnten.
Während von der E-Ladestation kein Gebrauch gemacht werden musste, wurde Luft in die Reifen rein und aus den organischen Hohlkörpern raus gelassen.
Während sich manche im Synchrontrinken übten, entspannten sich andere mit Synchronliegen, und das mit durchaus passabler Haltungsnote.
Nach der Verschnaufpause teilte sich die Gruppe und ein kleinerer Teil trat die Rückfahrt an, während ein größerer Teil noch einige Kilometer weiter auf dem Kyllradweg radelte bis zu einem weiteren Stopp, den wir an der historischen Birgeler Wassermühle einlegten.
In Europas angeblich einzigartigem Mühlen-Erlebniszentrum haben wir dann auf der Suche nach den Toiletten im weit verzweigten Gebäudekomplex so manche nachgestellten Szenen der angeblich guten alten Zeit entdeckt, inclusive ratternder, inzwischen nur noch von schnödem Kraftwerksstrom angetriebener Mühlen…
Anschließend traten wir die Rückfahrt durch die wilde Eifellandschaft an, angereichert durch abwechselnde Oberflächen der Radwege bei denen wir mit unseren schmal bereiften Bikes diverse Passagen trotz größter Befürchtungen pannenfrei meistern konnten, und das, obwohl es später Diskussionen über die Länge dieses schmerzhaften Streckenabschnitts gab…waren es 3 Kilometer, oder doch nur 300 Meter?
Aber bekanntlich muss man als RadfahrerIN ja Schmerzen aushalten können um Erfolg zu haben, wie die Aufschrift des Ass-Savers richtig bemerkt!
Im Hotel angekommen wurden nach dem Abendessen angesichts der durchwachsenen Wetterprognose für den Sonntag erste Vorbereitungen für die zweite Etappe getroffen.
Das Eifelfeuer genannte Getränk war jedoch nicht vollständig in der Lage die Erwartungen zu erfüllen und so startete man am frühen Sonntagmorgen in reduzierter Gruppenstärke zu einer weiteren Ausfahrt auf der alten Bahntrasse, diesmal in entgegengesetzter Richtung gen Belgien, das wir dank des Schengener Abkommens ohne Passkontrolle flott erreichten.
Ein nach dem Abendessen unternommener Abstecher in das Losheimer Nachtleben endete nach kurzen mehrfachen unkontrollierten Grenzübertritten mangels Angebot und nachts geschlossenen Möbelmärkten dann relativ schnell wieder im Hotel.
Die Leuchtreklame in der kargen Grenzlandschaft hatte dabei schon ihren ganz besonderen Reiz und erinnert mit ihrer Tristesse etwas an die Motive des amerikanischen Malers Edward Hopper.
Unser Interesse galt auch am zweiten Tag weniger einem möglichst guten Schnitt oder zumindest einem flüssigen Fahrstil. Vielmehr galt es die Schönheiten der Natur und insbesondere ihrer einzigartigen Fauna zu erleben, gab es doch ernst zu nehmende Aussichten, eine große Herde Megaherbivoren im wilden Losheimer Graben anzutreffen.
Und folglich wurde des öfteren an- und Ausschau gehalten. Das machte das Radfahren zeitweise zur Nebensache.
War da was? Nein, da war nichts. Aber jetzt! Wo? Nein doch nicht, nur viel Natur.
Bis plötzlich ein Rad in die Botanik flog……und das Ersehnte endlich in Sicht kam:
Eine Herde Wasserbüffel!
Wenig später machten wir dann angesichts der rustikalen Ausbaulage kehrt, zumal sich zu dem Wind und der frischen Temperatur noch leichter Regen einstellte.
Hierbei passierten wir den letzten Bahnhof der Vennquerbahn auf ehemals deutschem Boden, Buchholz, früher Losheimer Graben, gleichzeitig Übergabepunkt zum belgischen Eisenbahnnetz und mit 609 m über NHN höchster Punkt desselben.
Das in preußischer Regie errichtete 38 km lange Teilstück der Ost-West-Verbindung von Weywertz nach Jünkerath diente militärischen Zwecken und wurde nach aufwendigen Bauarbeiten 1912 fertiggestellt.
Nach dem ersten Weltkrieg kam der Bahnhof im Rahmen des Versailler Vertrages an Belgien und fungierte nach dem zweiten Weltkrieg als Grenzbahnhof mit Zollabfertigung.
Nach einer letzten Streckensanierung mit Nato-Mitteln 1983 – 88 wurde die Strecke dann 1999 aufgegeben und 2007-2008 abgebaut. Jetzt zischen hier also keine Dampf- oder Dieselloks mehr sondern nur noch die Lungen der Radler.
Dank Rückenwind, leichtem Gefälle und dem Wunsch dem zunehmenden Nieselregen zu entkommen, erreichten wir dann schnell wieder unser Hotel.
Nach der Vielzahl der an diesem Wochenende erlebten Grenzerfahrungen, die eindeutig mehr geografischen als sportlichen Hintergrund hatten, wollten dann alle dann möglichst schnell weg von diesen ganzen Grenzen und wieder los – heim.
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